Schluss mit Gelegenheitschirurgie in Schweizer Spitälern

infosantésuisse-Artikel
09.10.2024

Eine Auswertung von santésuisse bringt Alarmierendes zutage: Über die Hälfte der Schweizer Spitäler erreicht die Mindestfallzahlen bei wichtigen Eingriffen nicht. Das wirkt sich direkt auf die Qualität aus und ist ein Ergebnis der zu hohen Spitaldichte in der Schweiz. santésuisse fordert eine überregionale Spitalplanung und eine koordinierte Planung der Spezialmedizin.

Übung macht den Meister – das volkstümliche Sprichwort hat auch in topmodernen Spitälern seine Richtigkeit. Denn je öfter in einem Spital ein bestimmter Eingriff durchgeführt wird, desto geringer ist das Risiko für Komplikationen. Aus diesem Grund empfiehlt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) Mindestfallzahlen für medizinische Eingriffe. In der heutigen – im internationalen Vergleich extrem dichten – Spitallandschaft sind diese Mindestfallzahlen für einen Grossteil der Spitäler kaum mehr zu erreichen. «Grund dafür ist die kleinräumige kantonale Sicht bei den Spitallisten und der Zulassung von Leistungserbringern», konstatiert santésuisse- Direktorin Verena Nold. «Daher fordern wir dringendeine Versorgungsplanung auf nationaler Ebene oder in grösseren Planungsregionen.»

Mindestfallzahlen haben sich drastisch verschlechtert

Im Rahmen der aktuellen Auswertung hat santésuisse 21 Spitalplanungs-Leistungsgruppen (SPLG) analysiert, für die die GDK Mindestfallzahlen für operative Eingriffe empfiehlt. Das Resultat ist alarmierend: Nur in einer von 21 SPLG erreichen sämtliche Spitalbetriebe die empfohlenen Mindestfallzahlen. 56 Prozent der Spitalbetriebe verpassen die Mindestfallzahlen in über 50 Prozent der untersuchten SPLG, rund zehn Prozent sogar in allen. Beunruhigend ist auch die Tatsache, dass die Mindestfallzahlen verglichen mit den Zahlen aus dem Jahr 2017 bei verschiedenen SPLG tiefer ausfallen. So hat sich bei der spezialisierten Wirbelsäulenchirurgie die Zahl der Spitalbetriebe, die die Zahl der operativen Eingriffe nicht erreichen, mehr als verdoppelt. Schlechter sind die Werte auch bei der komplexen Chirurgie der Niere und weiteren SPLG. Die aktuelle Auswertung basiert auf Zahlen von 2022 und wurde konservativ vorgenommen. So zählen Spitäler mit mehreren Standorten jeweils als ein Spitalbetrieb. «Würde jeder Standort einzeln berechnet, würde das Ergebnis vermutlich noch wesentlich schlechter ausfallen», betont Verena Nold.

Spitalplanung muss überregional erfolgen

Für santésuisse zeigt die Auswertung einmal mehr: Bei der Spitalplanung besteht dringender Handlungsbedarf. Die Planung des Spitalangebots soll auf überregionaler Ebene oder national erfolgen und die Spitäler sollen sich auf ihre wichtigsten Fachgebiete spezialisieren. «Zudem müssen bei der Spitalplanung Kriterien für eine qualitätsorientierte und effiziente Versorgung im Zentrum stehen und nicht lokalpolitische Interessen», erklärt Verena Nold. Denn eine bessere Auslastung erhöht die Qualität der operativen Eingriffe und vermindert das Risiko von Komplikationen. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Kostenanstiegs im Gesundheitswesen muss auch vermieden werden, dass die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler nicht ausgelastete Infrastrukturen finanzieren, die häufig die Ursache für Spitaldefizite sind. Diese Defizite in Milliardenhöhe haben die Kantone in den vergangenen Jahren gedeckt und damit ineffiziente Strukturen erhalten, statt eine Konzentration der Angebote zu fördern.


santésuisse ist die führende Dienstleistungsorganisation in der Gesundheitsbranche und Ihr Partner für umfassende Dienstleistungen im Gesundheitswesen.