Standpunkt von Heinz Brand im Tages Anzeiger vom 30. September 2017

Positionen
30.09.2017

Konkurrenz macht billiger

In seinem Beitrag «Das Kalkül der Krankenkassen » hat der Arzt Michel Romanes den Leserinnen und Lesern des «Tages-Anzeigers» weiszumachen versucht, dass nicht die Ärzte, sondern die Patienten selbst die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen verursachen. Das ist weitgehend unzutreffend. Korrekt ist hingegen, dass die Spitalambulatorien noch die grösseren Kostentreiber sind als die frei praktizierenden Ärzte: Von 2012 bis 2016 hat die Anzahl Konsultationen bei den Freien um 14, in den Spitalambulatorien hingegen um 33 Prozent zugenommen. Eine Konsultation beim Grundversorger kostete 2016 im Schnitt 99 Franken, diejenige im Spitalambulatorium 276 Franken. Insgesamt zeigt sich auch hier, dass die bisherige Steuerung der Ärztezulassung durch die Kantone, die nur bei den frei praktizierenden Medizinern Wirkung zeigte, einem politischen Placebo gleichkommt.

Schritte hin zu einer langfristig für alle bezahlbaren Krankenversicherung müssen Spitäler und Ärzte gleichermassen machen: Nur wenn sie seriös abrechnen und auf überflüssige Therapien und Analysen verzichten, wird unser freiheitlich-liberales System überleben können. Dass es die Überprüfungsmassnahmen der Versicherer braucht, um die schwarzen Schafe unter den Leistungserbringern, welche die Krankenversicherung als offenen Selbstbedienungsladen betrachten, ausfindig zu machen, dürfte dem neutralen Betrachter einleuchten.

In jedem besseren Lexikon ist zu lesen, dass im Gesundheitsmarkt das Angebot der dominierende Faktor ist – also der Leistungserbringer. Es ist nicht der Nachfrager, also nicht der Patient. Wer hat denn schon das nötige Wissen und den Mumm, seinem Arzt zu sagen, dass diese und jene Untersuchung oder Analyse überflüssig ist? Wer wird sich weigern, sich in die Röhre des Computertomografen zu legen, denn schliesslich könnte tatsächlich etwas zum Vorschein kommen? Tatsache ist aber: Oft werden die Patienten im Ungewissen darüber gelassen, dass ihre Diagnose längst klar ist, damit umfangreiche und teure Zusatzabklärungen durchgeführt werden können. Welche Chancen hat denn der kranke, verängstigte Patient, hier einzugreifen?

20 Prozent sind überflüssig

Bundesrat und Experten gehen davon aus, dass 20 Prozent der Leistungen im Gesundheitswesen unnötig sind. 20 Prozent der von den Spitälern und Ärzten abgerechneten Massnahmen sind also überflüssig und/oder kontraproduktiv. Es ist deshalb dringend nötig, in mehr Qualitätstransparenz und Effizienz zu investieren. Wie in der Wirtschaft geht es darum, dass sich die Leistungserbringer, die zulasten der Prämienzahler abrechnen, einem echten Preis- und Qualitätswettbewerb stellen. Wir erinnern uns: Auch bei der früheren Post hat erst der Wettbewerb zu modernen Telefonapparaten, zeitgemässen Mobiltelefonen und viel tieferen Tarifen geführt. Davor mussten wir veraltete Telefonapparate mit überteuerten Fixnetztarifen, eine überdimensionierte Administration und Postautos querfinanzieren.

Was überflüssige Zusatzuntersuchungen betrifft, sind die Spitalambulatorien in der Tat kränker als die frei praktizierenden Ärzte. Und es sind genau diese Spitalambulatorien, bei denen die Zulassungssteuerung nicht greift. Zum einen werden die Ärzte in einem Spital angestellt und nicht in einer ambulanten oder stationären Abteilung. Zum anderen zeigten die Kantone bisher keinerlei Interesse, «ihre» Spitäler an der wirtschaftlichen Entfaltung zu hindern – eine unwirtschaftliche Entfaltung zulasten der Prämienzahler allerdings, weil sie sämtliche Folgekosten berappen müssen. Es sind die kantonalen Gesundheitsdirektoren, die eine zielführende Finanzierung der ambulanten Kosten verhindern.


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