
Medienkonferenz
santésuisse setzt sich für eine überregionale Versorgung ein
Novemberkongress 2017: Der «Kantönligeist» führt insgesamt zu Überkapazitäten und damit zur Fehlversorgung
santésuisse fordert kantonsübergreifende Konzepte für die ambulante Versorgung, insbesondere was die spezialärztliche Tätigkeit betrifft. Die realen Versorgungsregionen und Patientenströme, die nicht den Kantonsgrenzen folgen, müssen dabei künftig adäquat berücksichtigt werden. In Kombination mit einer neuen Tarifierungspolitik für Ärzte- und Spitäler kann die Lockerung des Vertragszwangs in Gebieten mit Überversorgung einen wesentlichen Beitrag leisten, um das Problem der Überversorgung zu entschärfen.
Die ambulanten Arzt- und Spitalleistungen gehören seit Jahren zu den am stärksten wachsenden Bereichen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und damit auch zu den grössten Kostentreibern. Bis 2030 rechnet santésuisse schweizweit mit einer Akzentuierung des Überangebots bei den Spezialärzten und ambulanten Spitalleistungen. In den Ballungsräumen ist zudem mit einer Verschärfung dieses Trends zu rechnen. In Kombination mit einer neuen Tarifierungspolitik für Ärzte- und Spitäler kann die Lockerung des Vertragszwangs in Gebieten mit Überversorgung, die das Problem der Fehlversorgung wesentlich entspannen. Dies sind die Ergebnisse des diesjährigen santésuisse-Novemberkongresses.
Zulassungssteuerung: Viel Aufheben, wenig Wirkung, keine Koordination
Seit 2002 wird die Zulassung von ambulanten Leistungserbringern in verschiedenen Formen gesteuert. Die Übergangsregelung für die Zulassungssteuerung für Ärzte wurde in Form eines dringlichen Bundesgesetzes Mitte 2016 um weitere drei Jahre verlängert. In dieser Übergangszeit soll ein definitiver Vorschlag erarbeitet werden. Unabhängig davon, wie die Zulassungssteuerung im ambulanten Bereich ausgestaltet wird, muss die Versorgungssituation sachgerecht beurteilt und eine mögliche «Über- oder Unterversorgung» verhindert werden.
Die Patientinnen und Patienten nehmen vermehrt spezialärztliche Leistungen in Anspruch, wobei sie sich nicht an Kantonsgrenzen halten. Die Spitäler bauen laufend die Spitalambulatorien und Notfallstationen aus. Der dadurch ausgelöste Wachstumsschub verlangt nach wirksamen Massnahmen bei den Angeboten und den Tarifen.
Bis 2030 wird das Überangebot an ambulanten Leistungen weiter verschärft
Die Ärztedichte ist in der Schweiz heute unterschiedlich verteilt. Für die Bestimmung des zukünftigen «optimalen» Versorgungsangebotes spielt die Entwicklung von Nachfrage (Bedarf) und Angebot eine wesentliche Rolle. Bei der Bestimmung des Bedarfs wurden die demografische Entwicklung, Änderungen in der Alters- und Geschlechterstruktur sowie soziodemografische Faktoren einbezogen. Auf der Seite der Leistungserbringer (Angebot) wurden Abflüsse und Zuflüsse nach Regionen berücksichtigt.
Basierend auf den Hochrechnungen von santésuisse für das Jahr 2030 ist ohne entsprechende Gegenmassnahme gesamtschweizerisch eine Verschärfung der Situation zu erwarten. Es entsteht eine klare Tendenz zur Überversorgung bei nahezu allen Facharztgruppen und Regionen.
Versorgungsregionen statt Kantonsgrenzen
Eine Analyse der Patientenströme hat gezeigt, dass der Besuch beim Hausarzt vornehmlich in kleinräumlichen Strukturen am Wohnort oder entlang des Arbeitsweges erfolgt. Bei den Spezialärzten verlaufen die Patientenströme entlang den Pendlerströmen. Insbesondere in städtischen Zentren ist die spezialärztliche Versorgung gut ausgebaut. Weit über Kantonsgrenzen hinaus werden die städtischen Angebote genutzt.
Gleichlautende Aussagen lassen sich bei der Inanspruchnahme von stationären Leistungen machen. Auch hier orientieren sich Patienten vor allem in den Leistungsbereichen Akutsomatik, Psychiatrie und Rehabilitation mehrheitlich nicht an kantonalen Grenzen.
Tarifdifferenzierung und Lockerung des Vertragszwangs
Die für die Deckung des Bedarfs erforderliche Ärztedichte sollte vom Bund und nicht durch die Kantone mit Richtwerten oder Bandbreiten pro Versorgungsregion und Facharztgruppe definiert werden. Nach Auffassung von santésuisse kann diese Über- und Unterversorgung in den Versorgungsregionen durch eine Lockerung des Vertragszwangs angegangen werden. Die Lockerung des Vertragszwangs nach transparenten Kriterien führt zu einer Versorgungsplanung und -steuerung, bei der die Qualität der Leistungserbringer und der Preis der Leistungserbringung eine Rolle spielen.
Bei Überschreiten der erforderlichen Ärztedichte, beziehungsweise in Regionen mit deutlicher Überversorgung, müsste der Vertragszwang sogar ganz aufgehoben werden. Mittels regionaler Differenzierung der Taxpunktwerte könnte zudem das Angebot genauer mit dem Bedarf in Übereinstimmung gebracht werden. Für die Kantone kommt zudem eine neue Aufgabe in der Gesundheitsversorgung hinzu: neue überregionale Versorgungsräume zu schaffen, die mit den Pendlerströmen und der Bevölkerungsentwicklung übereinstimmen.
Dokumente
- Communique_vom_31-10-2017.pdf (77.8 KB)
- Referat_RR_Heiniger_02.pdf (388.6 KB)
- Referat_Kilchenmann.pdf (6.3 MB)
- Referat_Prof_Meier_02.pdf (7.2 MB)