Brennpunkt-Artikel


12.09.2016

Der Prämienzahler als Mäzen der Pharmaindustrie?

Die Medikamentenkosten steigen weiterhin überdurchschnittlich. Das Rezept gegen zu hohe Preise steht aber bereit: Künftig muss konsequent das Kostengünstigkeitsprinzip umgesetzt werden. Die geplante Verordnungsänderung hingegen geht in die falsche Richtung.

Die Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) wachsen im ersten halben Jahr 2016 überdurchschnittlich: Für in der Apotheke bezogene Leistungen beträgt das Wachstum rund 6,4 Prozent, für Medikamente vom Arzt 4,7 Prozent, wie das im August publizierte Kostenmonitoring des BAG zeigt. Die Gründe dafür sind die fehlende und mangelhafte Umsetzung der gesetzlichen Grundlage bezüglich der Medikamentenpreisfestsetzung. Bereits seit 2009 wurden Massnahmen zur Kostendämpfung im Medikamentenbereich ergriffen. So wurde die regelmässige Überprüfung der Aufnahmekriterien aller in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführten Arzneimittel alle drei Jahre vorgesehen. Leider wurde das im KVG verankerte Kostengünstigkeitsprinzip, auf das auch der Preisüberwacher wiederholt hingewiesen hat, nie konsequent umgesetzt. Mit seiner Inkonsequenz hat sich das EDI viel Ärger und Gerichtsverfahren eingehandelt.

Institutionelle Defizite

Das EDI hat im Jahre 2012 den therapeutischen Quervergleich (TQV) bei der Dreijahresüberprüfung aufgehoben. Dieser Schritt war offenbar rechtlich nicht ausreichend abgestützt, worauf das BAG nach Rekursen von einzelnen Pharmafirmen im letzten Dezember vor dem Bundesgericht verlor. Was von den 2012 angekündigten Einsparungen durch die Einigung des EDI mit den Pharmaverbänden übrig bleibt, ist damit ungewiss. Einmal mehr zeigt sich das institutionelle Manko, dass Konsumenten- und Versichererverbände über kein Rekursrecht verfügen, um zuhohe Preise zu bekämpfen.

Konsequentes Kostengünstigkeitsprinzip verankern

Wären die Bundesbehörden rechtzeitig auf den Grundsatz des Kostengünstigkeitsprinzips, das sich aus Artikel 43 Absatz 6 KVG ableitet, eingeschwenkt, hätte dieser Rückschlag vermieden und eine wirksame Kostendämpfung erzielt werden können. Auch bei einer jährlichen gleichzeitigen Überprüfung hätte sich das EDI die jetzigen Probleme erspart. Konsequent angewendet bedeutet das Kostengünstigkeitsprinzip, dass die Krankenversicherung nur die günstigste Version einer Substanz vergütet, was nicht selten ein Generikum ist. Wer trotzdem ein anderes Medikament will, muss die Differenz selbst bezahlen.

 

Tatsache ist, dass die Prämienzahler weiterhin stark überhöhte Medikamentenpreise bezahlen.

 

Verordnungsentwurf ignoriert Interessen der Prämienzahler

Tatsache ist, dass die Prämienzahler weiterhin stark überhöhte Medikamentenpreise bezahlen. Mit der gleich starken Gewichtung von Auslandpreisvergleich und TQV beim neuen Verordnungsentwurf des EDI wird das Kostengünstigkeitsprinzip des KVG weiterhin ignoriert. Rekurse befürchten muss das BAG nicht, da diese bisher nur von der Pharmaindustrie eingereicht werden können. Mit den geplanten Änderungen wird der therapeutische Quervergleich dazu führen, dass die Preissenkungen im Durchschnitt geringer ausfallen. Damit wird die Schweiz eine Hochpreisinsel für vornehmlich im Ausland hergestellte Medikamente bleiben und die Prämienzahler müssen der florierenden Pharmaindustrie auch weiterhin einen Beitrag zur Standortförderung entrichten. Unzufriedene Pharmafirmen, die sich durch die Staffelung auf drei Jahre ungerecht behandelt fühlen, dürften bei der nächsten Preissenkung im Dezember 2017 Rekurse einreichen, was zu weiteren Verordnungsänderungen zugunsten der Pharmafirmen in vier Jahren führen wird. Gelöst werden könnte das Problem durch eine jährliche Überprüfung aller Medikamente. santésuisse, der Preisüberwacher und die Konsumenten fordern dies seit Jahren.

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