
Brennpunkt-Artikel
Föderalismus ja – aber mit mehr Augenmass
Kantönligeist verhindert Reformen
Zwischen «Garantieren» und «Bevormunden» bewegen sich die Kantone mit ihrer Interpretation des Verfassungsauftrags zur Gesundheitsversorgung. Stossend ist aber vor allem die ungleiche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen. Hier sollten die Kantone endlich Hand bieten zu besseren Lösungen.
Unser Gesundheitssystem krankt an Ineffizienz und Fehlversorgung. Damit einher geht ein jährlicher Kostenanstieg, dem die Löhne und Renten nicht zu folgen vermögen.
Kantone könnten Abhilfe schaffen
Dabei haben es die Kantone in der Hand, die Schweiz zu einer deutlich effizienteren und qualitativ besseren Versorgung zu führen. Einige Kantone halten sich jedoch lieber an Ihrer Macht fest, anstatt das System zu verbessern. Mit einer überkantonalen Angebotsplanung könnten die Milliarden verschlingenden Überkapazitäten und Prestigeprojekte abgebaut werden. Mit einem Bekenntnis zur gleichen Finanzierung aller Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) wäre ein erster Schritt getan, damit die grundsätzlich sinnvolle Verlagerung von stationä- ren zu ambulanten Leistungen nicht mehr zu Lasten der Prämienzahler erfolgen würde und zudem Sparanreize für die gesamte OKP entstünden.
Teurer Alleingang der Kantone
Aktuell macht es den Anschein, dass die Kantone weder zu Gunsten der überregionalen Planung noch der gleichen Finanzierung aller OKP-Leistungen einen Schritt machen wollen. Die Folgen der ungenügenden interkantonalen Versorgungsplanung gehen finanziell zu Lasten der Prämien- und Steuerzahler, welche die Überkapazitäten berappen müssen. Aber nicht nur das: Die Prestigemedizin der Kantone leidet oft unter zu tiefen Fallzahlen, womit die Patientinnen und Patienten auch noch gleich den schwarzen Peter puncto Qualität einziehen. Die einzige funktionierende Übereinkunft zwischen den Kantonen bei der Versorgungsplanung scheint weiterhin darin zu bestehen, sich nicht dreinreden zu lassen.
"Eine überkantonale Angebotsplanung würde Überkapazitäten abbauen."
Patientenströme halten sich nicht an Kantonsgrenzen
Bei der Beratung der neuen Spitalfinanzierung hatte sich das Parlament klar für eine schweizweite Sichtweise und gegen die kantonale Abschottung entschieden. Die Kantone hatten dies bekämpft und wollten gar keine ausserkantonale Wahlbehandlungen ihrer Bürgerinnen und Bürger mitfinanzieren. Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber den Kantönligeist dort in Schranken weist, wo er den schweizweiten Qualitätswettbewerb mit Planwirtschaft und Strukturerhaltung behindert. Längerfristig stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie lange die Prämien- und Steuerzahler die föderale Über- und Fehlversorgung noch zu bezahlen bereit sind. Vor allem bei komplexeren medizinischen Eingriffen hält sich die Bevölkerung immer weniger an die Grenze des eigenen Kantons. Und warum soll man für etwas bezahlen, das man nicht braucht oder das qualitativ zweifelhaft ist?
Licht in die «Blackbox» der Patientenströme
santésuisse ist der Ansicht, dass die medizinische Versorgungsplanung nach den real existierenden Versorgungsregionen erfolgen sollte statt nach Kantonsgrenzen. Notabene steuert der Kantönligeist heute weitgehend eine Blackbox. Die realen Patientenströme wurden gar nie aufgearbeitet. Auch die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat in ihrem kürzlichen Positionspapier «Steuerung der Anzahl und der Verteilung von Ärztinnen und Ärzten» betont, dass zuerst eine entsprechende Datengrundlage geschafften werden sollte, bevor die Steuerung der Versorgung überhaupt Sinn mache. Aufgrund dieser Überlegungen wird santésuisse der Öffentlichkeit noch dieses Jahr eine Studie präsentieren, welche Licht in die schweizweiten Patientenströme bringen wird.