Brennpunkt-Artikel


03.12.2018

Mythen und Fakten zur Pflegefinanzierung

Mehr Effizienz – statt Kosten abschieben

Die Kantone wollen sich als Rest finanzie-rer der Pflegekosten aus ihrer Verantwor-tung schleichen. Um die Kosten auf die Prämienzahler abzuwälzen, werden mithin auch unzutreffende Argumente bemüht.

Seit 2011 ist die «Neuordnung der Pflegefinanzie-rung» (NPF) in Kraft. Das Ziel: Die stetige Kosten-steigerung bei der Seniorenpflege sollte nicht aus-schliesslich zulasten der Prämienzahlenden gehen. Die obligatorische Krankenpflegversicherung (OKP) leistet seitdem einen fixen Beitrag an die Pflegekos-ten, die Patientenbeteiligung ist klar definiert und maximal begrenzt, die Restfinanzierung übernehmen die Kantone. Mit dem steigenden Finanzierungs-druck auf die Kantone als Restfinanzierer erhalten Forderungen nach einer Anpassung der OKP-Beiträ-ge Aufwind. Dies obwohl auch die Prämienzahler laufend Mehrkosten für die Pflege mitfinanzieren

Mthos Nr. 1: Seit 2011 ist der Beitrag der OKP an die Pflege nicht mehr gestiegen

Fakt ist, dass seit der Neuregelung der Pflegefinanzierung im Jahr 2011 die Kosten für die Pflege zulasten der OKP um 400 Millionen Franken gestiegen sind. Sie liegen mittlerweile bei 2,8 Milliarden Franken. In Zukunft werden die Kosten zu Lasten der OKP wegen der zunehmenden Zahl pflegebedürftiger Menschen selbst bei konstanten Beitragssätzen weiter steigen. santésuisse vertritt deshalb mit Nachdruck die Haltung, dass die Kantone ihren gesetzlichen Pflichten als Restfinanzierer nachkommen müssen und den Spielraum zur Förderung effizienter Strukturen nutzen.

Mythos Nr. 2: Die Kantone finanzieren den Löwenanteil der Pflegekosten

Fakt ist, dass die OKP den Löwenanteil, nämlich 55 Prozent der Pflegekosten (für Pflegeheimbeiträge, Spitex und selbstständige Pflegepersonen) trägt. Von einem «bescheidenen fixen Frankenbei-trag der Krankenversicherer», wie von Kantonsvertretern behauptet, kann keine Rede sein (vgl. Tabelle). Vielmehr tragen Gemeinden und Kantone lediglich einen Drittel der gesamten Kosten.D

Kantone sollen Handlungsspielraum nutzen

Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung der OKP-Beiträge, die notabene auch durch Gerichts-entscheide gestützt wurde, sind die Kantone auf-gefordert ihre gesetzlichen Pflichten als Restfinanzierer wahrzunehmen. Anstatt die Verantwortung abzuschieben, besteht Spielraum für Effizienzsteigerungen. Es gibt zahlreiche gut dokumentierte Hinweise auf Ineffizienz in der Langzeitpflege. So haben die Kantone trotz jahrelangen Diskussionen die Festlegung des Pflegebedarfs nicht harmonisiert. Auch wird die Qualität im Pflegebereich zu wenig systematisch erhoben, mit der Folge, dass zu wenig Transparenz herrscht und Vergleiche über die Kantonsgrenzen hinaus verunmöglicht werden. Last but not least werden vor allem in der Deutschschweiz zu viele Seniorinnen und Senioren stationär statt ambulant versorgt.

Die vom Bundesrat dieses Jahr veröffentlichte externe Evaluation zeigt, dass die Neuordnung der Pflegefinanzierung erfolgreich war und sich eine grundsätzliche Änderung nicht aufdrängt. santésuisse lehnt deshalb eine stärkere Belastung der OKP ab. Die Folgen einer Anhebung oder dynamischen Anpassung der OKP-Beiträge an die Kostenentwicklung wären eine Überstrapazierung der Generationensolidarität und Mehrbelastung der individuellen Prämienverbilligung durch Bund und Kantone. Die Beibehaltung der fixen Beitragssätze der OKP ist auch deshalb angezeigt, weil mit der zunehmende Alterung der Bevölkerung die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt, was die OKP mehr und mehr belastet – selbst bei konstanten Beitragssätzen.