
Positionspapier
Qualitätssicherung
1. Ausgangslage – Ist-Zustand
1.1 Grundsätzliches zur Qualitätssicherung
„Weltweit ist das Schweizer Gesundheitswesen hinter jenem der USA das zweitteuerste. Die Qualität der Leistungen ist zwar gut, aber nicht besser als in anderen vergleichbaren Ländern.“ Dies hält die neueste Studie der OECD zum schweizerischen Gesundheitssystem fest. Deshalb muss die Qualitätssicherung auch in der Schweiz einen höheren Stellenwert erhalten. Gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG, Artikel 43 Abs. 6) gilt es, eine „qualitativ hoch stehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten“ zu erreichen. Zu diesem Zweck ist das Qualitätsbewusstsein bei allen Beteiligten zu stärken und die Leistungserbringer sind zu motivieren, das nach dem neuesten Stand der Medizin und der Pflege Richtige zu tun. Dabei sind die Patientenbedürfnisse in zweckmässiger Form in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Über-, Unter- oder gar Fehlversorgung ist zu vermeiden, eine moderne und effiziente Leistungserbringung zu fördern und Fehler in der medizinischen Behandlung und in der Pflege sind zu verringern. Nutzniesser einer solchen Qualitätsstrategie sind alle: die Patienten dank einer besseren Versorgung, die Leistungserbringer, die auch mit modern(st)en Methoden fachgerecht und wirtschaftlich arbeiten können, und die Kostenträger dank der Vermeidung unnötiger Kosten als Folge von Qualitätsmängeln.
1.2 Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzliche Grundlage zur Sicherung der Qualität der Leistungen ist seit dem Inkrafttreten des KVG anfangs 1996 gegeben. Das Gesetz gibt in Artikel 58 dem Bundesrat die Kompetenz für systematische wissenschaftliche Kontrollen zur Sicherung der Qualität oder des zweckmässigen Einsatzes der KVG-Leistungen. Es beauftragt ihn zu regeln, mit welchen Massnahmen die Qualität oder der zweckmässige Einsatz von Leistungen zu sichern oder wiederherzustellen ist. Folgende Punkte erwähnt das Gesetz speziell: Die Anknüpfung der Abgeltung von Leistungen an Qualitätskriterien, die Durchführung von Kontrollen in ausgewählten Gebieten, die Bindung der Leistungsvergütung an eine "second opinion" (z.B. durch Vertrauensärzte) und Zulassungsbeschränkungen für Leistungserbringer durch die Vorgabe bestimmter Kriterien.
In der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) hat der Bundesrat die Umsetzung der Qualitätssicherung an die Leistungserbringer, bzw. deren Verbände delegiert. Er verpflichtet diese, Konzepte und Programme zur Qualitätssicherung und -förderung zu erarbeiten. Die Krankenversicherer sind insofern in die Verantwortung miteinbezogen, als die Modalitäten der Durchführung in Verträgen mit den Versicherern oder deren Verbänden zu regeln sind. Wo kein Vertrag zustande kommt, muss der Bundesrat die erforderlichen Bestimmungen erlassen.
1.3 Stand der Umsetzung
Seit 1996 sind in zahlreichen Leistungsbereichen Qualitätskonzepte und -programme initiiert und entwickelt worden (Bsp: Apotheker, Labor-Ringversuche, Ergotherapie, Physiotherapie, Rehabilitation ambulant und stationär, Spital stationär). Viele von diesen Projekten haben noch deutlich Entwicklungspotenzial oder haben sich bei der Umsetzung in der Praxis verzögert. Verzögerungen sind insbesondere im akuten Spitalsektor festzustellen. In wichtigen Sektoren wie in den ambulanten Arztpraxen fehlen die notwendigen Konzepte und Programme noch immer, auch wenn die Aktivitäten von Ärztenetzwerken oder die Anstrengungen medizinischer Fachgesellschaften im Rahmen der Aus- und Weiterbildung sowie die systematisch Datenerfassungen im Bereich der Chirurgie positiv zu erwähnen sind. Zudem gibt es seit August 2004 die von H+, santésuisse und der ZMT gegründete Gesellschaft zur Förderung der Qualität im stationären Spitalbereich (KIQ) und die gemeinsame Koordinations- und Informationsstelle. Projekte von KIQ sind die Ausarbeitung von gesamtschweizerischen Konzepten zur Qualitätssicherung im Bereich der Rehabilitation sowie der Psychiatrie. Zu erwähnen ist weiter der Verein Outcome mit seinem gleichnamigen Messinstitut, der in verschiedenen Kantonen aktiv ist. Im November 2007 schliesslich haben die zuständigen Partner für die Spitalversorgung in der Schweiz gemeinsam den Interkantonalen Verein für Qualitätssicherung und -förderung in den Spitälern IVQ gegründet. Ziel des Vereins wird es sein, auf der Basis einer gemeinsam festgelegten Strategie Qualitätsmessungen in den Schweizer Spitälern durchzuführen, die Resultate zu vergleichen und diese gezielt zu veröffentlichen. Der IVQ, dem bisher 19 Kantone angeschlossen sind, wird eng mit der KIQ zusammenarbeiten. Generell gilt aber, dass die Qualitätskonzepte und -programme auch 11 Jahre nach Inkrafttreten des KVG noch längst nicht so umgesetzt sind, wie es Gesetz und Verordnung verlangen.
2. Parlamentarische Beratungen
Die Solothurner Nationalrätin Bea Heim hat in verschiedenen Vorstössen auf die mangelhafte Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften im Bereiche der Qualitätssicherung hingewiesen. Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) hat ihr Anliegen mit einer Motion (Nr. 04.3624) aufgenommen, welcher beide Räte in leicht veränderter Fassung zugestimmt haben. Die Motion verlangt, dass der Bundesrat die Qualitätssicherung und Patientensicherheit in der medizinischen Behandlung gemäss Artikel 58 KVG steuern, regeln und koordinieren soll. Im Rahmen einer nationalen Plattform sollen Massnahmen zur Realisierung der Qualitätssicherung sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich beschlossen werden. Das Neue an der Motion ist die Koordination der Qualitätssicherung im Rahmen einer nationalen Organisation, in der neben Leistungserbringern und Versicherern auch die Kantone und die Patientenorganisationen mitwirken. Kaum ein Thema war die Qualitätssicherung bisher in der KVG-Revision, weil das KVG bereits die notwendigen gesetzlichen Grundlagen enthält und die Probleme in der Umsetzung dieser Grundlagen geortet werden.
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerates weist in einem im November 2007 veröffentlichten Bericht darauf hin, dass der Bundesrat und im Speziellen das Eidg. Departement des Innern bisher ihre Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung gemäss KVG zu wenig wahrgenommen haben. Die GPK fordert den Bundesrat deshalb auf, eine klare und verbindliche Strategie zur Qualitätssicherung zu erarbeiten, Mindestanforderungen an die Inhalte von Qualitätsvereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Versicherern zu formulieren und keine Verträge mehr ohne Bestimmungen zur Qualitätssicherung zu genehmigen. Auch von den Kantonen erwartet die GPK, dass sie ihre Aufsichtspflicht über die Tarifverträge im Bezug auf die Qualitätssicherung erfüllen. Die Vertragspartner werden aufgefordert, eine Differenzierung der Tarife nach Qualitätskriterien prüfen.
3. Position santésuisse
3.1 Grundsätzliches
Die Krankenversicherer haben ein eminentes Interesse daran, dass in allen Leistungsbereichen ein hoher Qualitätsstandard erreicht wird. Ihre Versicherten verlangen mit Recht, dass sie für die als hoch empfundenen Prämien einen entsprechenden Gegenwert erhalten, nämlich Leistungen auf einem hohen qualitativen Niveau. Deshalb heisst auch das erste strategische Ziel von santésuisse: „Förderung von hoher Qualität, wirtschaftlicher Leistungserbringung und Transparenz, um dadurch die Kosten für die Gesundheitsversorgung zu senken.“ Bei der Qualitätssicherung geht es zwar in erster Linie um eine optimale Behandlung und Betreuung der Patienten. Zusätzlich werden aber auch Kosten durch das Verhindern von Qualitätsmängeln eingespart. Denn sinkende Qualität bedeutet häufig auch Über-, Unterund Fehlversorgung, was immer mit unnötigen und vermeidbaren Kosten verbunden ist. santésuisse drängt daher auf die Umsetzung von Gesetz und Verordnung, das heisst die vertragliche Verankerung der Qualitätssicherung in allen Leistungsbereichen.
3.2 Forderungen
Die Krankenversicherer wollen grundsätzlich keinen Vertrag mehr ohne Bestimmungen zur Qualitätssicherung abschliessen. Sie fordern die Vertragspartner auf, die gesetzlich vorgeschriebenen Konzepte und Programme zu entwickeln und zusammen mit den Krankenversicherern national koordiniert umzusetzen.
Einen Schwerpunkt bildet dabei der Spitalbereich, wo der neu gegründete interkantonale Verein zur Qualitätssicherung in den Spitälern (IVQ) die Aufgabe hat, gesamtschweizerisch vergleichbare Ergebnismessungen voranzutreiben. santésuisse erwartet, dass sich alle Kantone und Spitäler dem IVQ anschliessen.
Im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung fordert santésuisse die gemeinsame Entwicklung national verbindlicher Konzepte und Programme unter Einbezug schon bestehender Ansätze.
Qualitätssicherungsprojekte in anderen Leistungsbereichen, die bereits erfolgreich gestartet sind, werden von santésuisse weiterhin gefördert und in der Weiterentwicklung unterstützt.
Wichtig sind den Krankenversicherern vor allem folgende Punkte:
- Im Fokus der Krankenversicherer steht vorab die Ergebnisqualität, wobei die Prozess- und Strukturqualität in Verbindung mit der Ergebnisqualität ebenfalls von Bedeutung sein können.
- Die Qualitätssicherung muss mess- und vergleichbar sein.
- Die Resultate der vergleichbaren Ergebnismessung sind – vor allem im Interesse der Patienten - transparent zu machen.
- Die Leistungserbringer sollen mit Hilfe von Benchmarks ihre eigene Leistung einordnen und allenfalls verbessern können.
- Die Vertragspartner entwickeln gemeinsam Tarifsysteme, die Anreize zur Umsetzung der Massnahmen zur Qualitätssicherung enthalten.
4. Fazit
Es ist ein Hauptanliegen der Krankenversicherer, dass der Sicherung und Verbesserung der Qualität ein höherer Stellenwert beigemessen wird. Ein Instrument dafür ist die Regelung der Qualitätssicherung in den Tarifverträgen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Krankenversicherer zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit allen Gruppen von Leistungserbringern bereit. Grundsätzlich soll kein Vertrag mehr ohne Bestimmungen zur Qualitätssicherung abgeschlossen werden.