Vom Kostenträger zum Gesundheitscoach

Der Digital Health Report 2025/2026 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) untersucht den digitalen Fitnessgrad unterschiedlicher Gesundheitsakteure. Die Krankenversicherungen liegen hinter den Pharmabetrieben auf dem zweiten Platz, allerdings besteht in Sachen Digitalisierung auch bei ihnen noch viel Handlungsbedarf.

infosantésuisse-Artikel
16.12.2025

Der globale Digital-Health-Markt wächst und wächst. Schätzungen gehen davon aus, dass er 2025 rund 200 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Basis für dieses Wachstum bilden die fortschreitende digitale Transformation des Gesundheitswesens und die Nachfrage von Kundinnen und Kunden nach digitalen Gesundheitsangeboten. Hinzu kommen technologische Fortschritte zum Beispiel in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Sensorik, die immer neue Versorgungsmodelle ermöglichen.

Ermutigende Signale in Sachen Digitalisierung

Auch in der Schweiz steigt das Interesse der Bevölkerung an digitalen Gesundheitsangeboten: Besonders gefragt sind Telemedizin, E-Rezepte und der einfache Zugang zu medizinischen Daten. «Es gibt ermutigende Signale: regulatorische Fortschritte, eine aktive Innovationsszene sowie erste sichtbare Entwicklungen in Richtung einer stärkeren Digitalisierung des Gesundheitssystems», bestätigt Alfred Angerer, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Zusammen mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Sina Berger ist er Mitherausgeber des diesen Herbst zum fünften Mal erschienenen Digital Health Reports. «Allerdings hat die Schweiz ihren Rückstand gegenüber international führenden Ländern bislang noch nicht entscheidend aufgeholt.»

Krankenversicherer mit mittlerem digitalem Reifegrad

Mithilfe eines neu entwickelten Reifegradmodells haben externe Expertinnen und Experten für den aktuellen Report den digitalen Reifegrad von sechs Akteursgruppen im Gesundheitswesen untersucht (siehe Grafik). Verglichen mit Apotheken, Arztpraxen, Spitälern und Spitexorganisationen stehen die Krankenversicherer in Sachen digitaler Reifegrad gut da. Im Vergleich belegen sie den zweiten Platz und weisen einen mittleren bis eher guten Reifegrad auf. Alfred Angerer: «Hohe Reifegrade werden vor allem bei digitalen Services mit direktem Mehrwert für Versicherte erzielt.» Dazu zählen: digitale Rechnungsabwicklung, Telemedizin oder Symptom-Checker. Gleichzeitig, so Angerer, zeigten sich Defizite in den Bereichen von Telemedizingeräten und der Personalisierung von Präventionsangeboten, die von zahlreichen Versicherten als besonders relevant bewertet würden.

Der Weg in die Zukunft

Für die Zukunft raten die Studienautoren Krankenversicherern dazu, sich zu proaktiven Gesundheitsakteuren zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, orten sie drei Handlungsoptionen:

  1. Digitale Infrastruktur und Partnerschaften aufbauen: Krankenversicherer sollen selbst oder mit Partnern in technologische Plattformen investieren, um Telemedizin, digitale Therapeutika und Datenanalysen sicher und effizient anbieten zu können.
  2. Das Geschäftsmodell smarte Geräte weiter ausloten: Experimentieren mit Programmen zur Förderung und Integration smarter Gesundheitsgeräte. Das kann durch gezielte Anreizsysteme wie Prämienrabatte, Kostenbeteiligungen oder Bonusmodelle für den regelmässigen Einsatz von tragbaren elektronischen Geräte wie Smartwatches, Fitnesstracker etc. geschehen.
  3. Kulturwandel und Kundenorientierung fördern: Die Rolle der Versicherung verändert sich weiterhin vom Kostenträger zum Gesundheitscoach. Dafür braucht es ein Umdenken in der Organisation. Der konsequente Aufbau der internen digitalen Gesundheitskompetenz rückt stärker in den Fokus, um für die Digital-Health-Zukunft gerüstet zu sein.

Krankenversicherer als Anbieter von medizinischen Leistungen

Künftig könnten Krankenversicherungen also zunehmend als Anbieter medizinischer Leistungen auftreten, z.B. durch Telemedizinplattformen, die einen niederschwelligen Zugang zu ärztlicher Beratung ermöglichen. Ein weiteres zentrales Element, um Mehrwert dank KI zu generieren, könnte gemäss den Studienautoren die Personalisierung sein. «Durch die Analyse individueller Gesundheitsdaten wie genetischen Profilen oder kontinuierlich erfassten Vitaldaten könnten massgeschneiderte Präventions- und Behandlungspläne entwickelt werden.» Smarte Geräte, die zu Hause zur Schlafüberwachung, Bewegungskontrolle oder Früherkennung chronischer Erkrankungen eingesetzt werden, würden dabei zur Grundausstattung von Versicherten gehören.

Das wünschen sich Kunden von Krankenversicherern

Das Ergebnis der Befragung zeigt, dass sich Kundinnen und Kunden mehr Präventionsangebote und einen digitalen Symptom-Checker wünschen. Dass dazu der Zugriff auf individuelle Daten, z.B. die Krankengeschichte, notwendig ist, scheint sie nicht zu stören. Versicherer geniessen also hohes Vertrauen und können durch Innovationen im Bereich personalisierte Leistungen noch etliche Pluspunkte holen.


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