Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG): Weiterentwicklung der IV
Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG): Weiterentwicklung der IV.
santésuisse nimmt zu denjenigen Punkten Stellung, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die Krankenversicherer direkt betreffen. Zu den weiteren Punkten äussert sich santésuisse nicht.
1. Nachfolgend die wichtigsten Punkte und Anmerkungen unserer Beurteilung:
Mit dem neuen Bundesgesetz über die IV werden beträchtliche Kostenverschiebung von rund 30 Millionen entstehen. So werden einige Geburtsgebrechen neu über die Grundversicherung zu vergüten sein. Kostenverschiebung bedeuten immer höhere Prämien. Dies ist zu vermeiden. Die unklaren Unterscheidungskriterien, ob der Sozialträger Invalidenversicherung oder Krankenversicherung nun kostenpflichtig sein wird, müssen zwingend präzisiert und ohne Spielraum für Interpretationen definiert werden. Mit dem vorliegenden Vorschlag werden sich einige Abgrenzungsprobleme und Interpretationsschwierigkeiten ergeben, ob das IVG oder das KVGLeistung leistungspflichtig sind. Die Aktualisierung der Geburtsgebrechenliste und die Erstellung der entsprechenden Definitionen und Kriterien ist aber grundsätzlich zu begrüssen. Medizinische Massnahmen: Die Absicht dies besser und klarer zu definieren ist zu begrüssen. Ebenso die Steuerungsmöglichkeiten. Hier ist die Definition von Zielen und Kriterien wichtig. |
2. Detailliertere Bemerkungen zu einzelnen Punkten:
Kostenverschiebungen vom IVG ins KVG:
Nach Prognosen des BSV zieht die Gesetzesänderung eine Kostenverschiebung vom IVG ins KVG in Höhe von 30 Mio. CHF nach sich. Die Auswirkungen dieses Verschiebungseffekts wer-den die Krankenversicherer finanziell durch den Anstieg des Leistungsbezugs im KVG belasten und sich prämienrelevant auswirken. Zudem ist zu hinterfragen, ob dieser Effekt politisch gewollt und auch vertreten wird.
Die Weiterentwicklung der IV zieht neue Zuständigkeiten der Sozialträger Invalidenversicherung oder Krankenversicherung betreffend verschiedener Geburtsgebrechen und Diagnosen nach sich. Die erforderlichen Messkriterien bzw. Unterscheidungskriterien sind bisher nicht bekannt.
Es ist zu erwarten, dass in dem zu erwartenden Graubereich die finanzielle Zuständigkeit der Leistungsträger zunächst ungeklärt bleibt, was zu Lasten der die Leistungen Beanspruchenden geht und durch langwierige Verfahren gegebenenfalls gerichtlich zu klären sein wird. Es ist ein Anstieg von Bürokratie und von Unmut bei den Betroffenen zu befürchten.
Geburtsgebrechen-Medikamentenliste (GGML):
Die Aktualisierung der Medikamente bezüglich Geburtsgebrechenliste ist aus santésuisse Sicht zu begrüssen. Wichtig ist hier dass wie vorgesehen dieselben WZW Kriterien zur Anwendung kommen wie bei der Spezialitätenliste. Dies bedeutet:
- Gleiche Aufnahmekriterien auf die Geburtsgebrechenliste wie bei der Spezialitätenliste. Das Gesetz sollte die Grundlage sein, damit eine zu KVV Art. 64 - Art. 71 analoge Verordnung die Aufnahmebedingungen auf die Geburtsgebrechenliste regelt. Dies ist wichtig, weil nach der IV für Kinder und Jugendliche die Behandlung im Erwachsenenalter auf dem KVG pas-siert. Hier gab es bereits parlamentarische Berichte, die eine bessere Abstimmung in diesem Bereich fordern.
Kernelemente, die heute für die GGLM nicht erfüllt sind, sind:
- Nutzenbewertung – die Wirksamkeit muss evidenzbasiert und im Vergleich zu Alternativen geprüft werden;
- Zweckmässigkeit – die Anwendung des Medikamentes kann in Alltagsbedingungen stattfin-den und Darreichungsformen und Packungen sind dafür geeignet.
- Wirtschaftlichkeit: Kriterien sind hier der Auslandpreisvergleich und der therapeutische Quervergleich;
- Regelmässige Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle 3 Jahre analog dem KVG Bereich.
Die Geburtsgebrechenliste enthält auch Medikamente mit Orphan Drug Status. Hier sollten zwei Aspekte sichergestellt werden. Erstens eine rasche Aufnahmemöglichkeit unter Einhaltung der WZW Kriterien (ev. analoger Artikel zu KVV Art. 71a/b) mit Verfügungsmöglichkeit der IV auch gegenüber Pharmafirmen. Zweitens die regelmässige Überprüfung auf Einhaltung der WZW Kriterien.
Frage: Wie wird sichergestellt, dass die Medikamente nach Übergang ins Erwachsenenalter in die SL aufgenommen werden? Hier sollte ein Mechanismus eingeführt werden. Die Firmen mit auf die GGLM aufgenommenen Medikamenten haben die Verpflichtung die Medikamente so bald wie möglich auch für die SL anzumelden, wenn eine Behandlung auch im Erwachsenenal-ter fortgeführt werden muss. Zur Reduktion der Administration sollte der gleiche Antrag auch für beide Positivlisten gelten (z.B. Verwendung der SL Formulare). Eine Aufnahme auf die GGLM sollte nur unter Einhaltung dieser Bedingung erfolgen. Bei der regelmässigen Überprüfung wird demnach ein Medikament abgelistet, das eine Aufnahme auf die SL verpasst hat.
Beschreibung der medizinischen Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art 13 IVG)
Zu jeder medizinischen Krankheitsbehandlung gehört eine exakte Diagnosestellung. Diese ist Basis für die Evaluation, Bewertung und Entscheidung zu jeder medizinischen Massnahme. Um die Zuständigkeiten von IV- und KV-Versicherern im Bereich der Krankheitsbehandlungen klar zu regeln, schlagen wir vor Abs. 1 und 2 von Art. 13 IVG wie folgt zu präzisieren:
Art. 13 Medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen
1 Versicherte haben bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Diagnose und Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG11).
2 Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Diagnose und Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die:
- fachärztlich diagnostiziert sind;
- invalidisierend sind;
- einen bestimmten Schweregrad aufweisen;
- eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und
- mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind.
Erweiterung der Definition der Leistungsübernahme
Eine simple Übernahme der KVG Bestimmungen sollte vermieden werden, da mit dem Vertrau-ensprinzip und Bezahlung nach Aktivitäten eine Mengenausweitung im Zeitablauf unvermeidbar ist und zu interessensbedingter Überversorgung führen kann.
Hier sollte geprüft werden ob eine bessere Steuerung die Definition der Outcomes einer Thera-pie zu erzielen ist. Das zu erzielende Ergebnis sollte im Vordergrund stehen und entsprechend einer Qualitätssicherung auch periodisch gemessen werden. Die Leistungserbringer sollten auch zur Dokumentation verpflichtet werden und die Güte der Umsetzung (Adherence zu Therapie-richtlinien, Therapietreue des Patienten) entsprechend messen und die Umsetzung mit geeigne-ten Massnahmen unterstützen. Dadurch wird ein Ressourceneinsatz, der nicht zielführend ist, bereits beim Leistungserbringer bemerkt und kann entsprechend angepasst werden. Im Vorder-grund sollte die Zielerreichung stehen und diese entsprechend dokumentiert werden. Nur so kann eine effiziente, hoch qualitative und kostengünstige Leistungserbringung sichergestellt werden. Im Kontext der Qualitätsstrategie des Bundes könnten im Rahmen dieses Bereiches wertvolle Erfahrungen und eine bessere Versorgung der betroffenen Patienten erreicht werden, die auch im KVG Rahmen später genutzt werden können.
Tarife und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit von Leistungen
Die Verbesserung der Situation bezüglich der Wirtschaftlichkeit lässt sich am besten mit der Fokussierung auf Ergebnisqualität im obenstehenden Sinne erreichen. Kontrolle sollte vor allem Selbstkontrolle zur Zielerreichung sein. Neben der detaillierten Auflistung der Leistungen wäre es auch sinnvoll den Behandlungsplan und den Verlauf der Ergebnisse für die Betroffenen zu dokumentieren.
Aufgaben des BSV
Die Klärung der Rolle und der Aufgaben des BSV ist zu begrüssen. Insbesondere sind die Vor-schläge zur besseren Lösung von Schnittstellen zwischen BSV und BAG erkannt und die Lö-sungsvorschläge sind sinnvoll. Eine Aufnahme von Medikamenten auf die Geburtsgebrechenlis-te muss auch von Amtes wegen möglich sein (analog den Verordnungen zum KVG). Generell sollte eine Verpflichtung zur SL Aufnahme der auf der GGLM gelisteten Medikamente bestehen.
Verstärkung der Steuerung und Fallführung bei medizinischen Massnahmen
Eine verbesserte Steuerung und Fallführung ist sinnvoll. Wichtig wäre hier auch ein Zielset-zungsprozess um die Behandlungsziele und die Messung ihrer Erreichung zu definieren. An-hand klarer Zielsetzungen können dann zusammen mit den Betroffenen und Leistungserbringern auch die zweckmässigen Massnahmen im Sinne einer qualitativ hochstehenden sowie wirtschaftlichen Versorgung festgelegt und überprüft werden.