Standpunkt von Heinz Brand in der Südostschweiz vom 3. Oktober 2018

Positionen
03.10.2018

Vergangene Woche hat Bundespräsident Berset der Öffentlichkeit einmal mehr die Höhe des neuerlichen Anstiegs der Krankenkassenprämien verkündet. Bedingt durch einen Wechsel bei der Berechnung des relevanten Anstiegs und einem leichten Rückgang bei den Krankheitskosten steigen die Prämien einmal etwas weniger stark als in den Vorjahren. Aber sie steigen weiter an, in Graubünden um durchschnittlich 3,4 Prozent.

Der moderatere Anstieg darf nicht zu falscher Sicherheit führen: Wir sind noch lange nicht über dem Berg. Ohne wirksame Kosteneindämmung ist das Fiasko unausweichlich! Wenn es so weitergeht wie seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes unter Bundesrätin Dreifuss werden sich die Kosten innerhalb der nächsten 20 Jahre wiederum verdoppeln. Die Durchschnittsprämien der Ostschweizer Kantone dürften dann bis ins Jahr 2038 auf 700 bis 900 Franken anwachsen. Löhne und Renten vermögen dieser fatalen Entwicklung allerdings bei Weitem nicht zu folgen.

Bei der Einführung des KVG war die Kosteneindämmung eines der drei Hauptziele. Passiert ist bisher allerdings nichts, was die Kostenspirale hätte stoppen können: Im langjährigen Durchschnitt wachsen die Kosten um gut vier Prozent. Angepackt wurde in all den Jahren keine einzige Massnahme, welche wirksam Abhilfe schaffen würde. Was Erfolg versprechen würde, wird vornehmlich von den Leistungserbringern oder Kantonen abgeblockt: Aufseiten der Ärzte wird vielfach ohne Rücksicht auf Kosten und Wirkung behandelt. Aufseiten der Kantone werden Überkapazitäten bei den Spitälern produziert oder erhalten. Die Neu- und Ausbauprojekte in der Höhe von 18 Milliarden Franken lassen grüssen.

Was passieren wird, wenn sich in den nächsten Jahren nichts Entscheidendes gegenüber den letzten 20 Jahren ändert, zeigt folgendes Rechnungsbeispiel: Bei vergleichbaren Bedingungen wird ein Nettolohn, der vor 20 Jahren 4000 Franken betrug, bis 2038 auf 6800 Franken (+ 70 %) und eine AHV-Einzelrente in derselben Periode von 1000 Franken auf 1500 Franken (+ 50 %) zulegen. Die Standardprämie der Krankenversicherung wird hingegen, wenn es so weitergeht wie bisher, im selben Zeitraum von 200 auf 1100 Franken um mehr als das Vierfache steigen (+ 450 %). Dies würde bedeuten, dass in 20 Jahren nahezu drei Viertel der AHV-Einzelrente für die Prämie der Krankenversicherung ausgegeben werden müsste. Für Rentner sind zwar die Hilfslosenentschädigungen und Ergänzungsleistungen und für Personen im Erwerbsleben Prämienverbilligungen vorgesehen. Diese Hilfen müssten in den nächsten Jahren verdoppelt werden, um dieselbe Wirkung wie heute zu erzielen. Politisch betrachtet sind solche Erwartungen jedoch eine Illusion.

Unser Gesundheitssystem ist in hohem Grad ineffizient. Infolge der übermässigen Kostenentwicklung werden die Prämien für einen Grossteil der Bevölkerung bald unbezahlbar. Obwohl wir schon heute die zweithöchsten Krankheitskosten weltweit berappen müssen, besteht keine Gewähr, bei den medizinischen Eingriffen auch eine optimale Qualität zu erhalten. Laut Bundesrat sind wir heute in der Schweiz mit 20 Prozent überflüssigen und vielen qualitativ fragwürdigen Eingriffen der Medizin konfrontiert. Die Kosten dieser «Maschinerie» tragen seit Jahren die Prämien- und Steuerzahler. All diese Diskussionen um Prämienanstiege, Kostenentwicklungen und Prämienbeihilfen jedwelcher Art könnten wir uns deshalb weitgehend ersparen, wenn endlich das Richtige am richtigen Ort getan würde. Davon sind wir heute allerdings auch noch weit entfernt – sehr zum Leid der Prämienzahler!


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