Ambulante Pauschalen: Datengestützt, objektiv und kostendämpfend
Ein einheitliches und datengeschütztes Tarifsystem bringt im Spitalbereich gewichtige Vorteile. Eine Studie des Beratungsunternehmens Swiss Economics im Auftrag von santésuisse zeigt: Ambulante Pauschalen würden das heutige Tarifsystem bestens ergänzen.
In der Wintersession hat sich das Parlament für die Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) entschieden – schon bald könnte nun auch ein einheitliches Tarifsystem Realität werden, indem ambulante und stationäre Behandlungen gleichermassen mit Pauschalen abgerechnet werden. Der Entscheid, einen weiteren Schritt in diese Richtung zu machen, liegt nun beim Bundesrat. Hat er doch von der nationalen Tariforganisation OAAT AG Ende des vergangenen Jahres die von den Verbänden H+ und santésuisse ausgearbeiteten ambulanten Pauschalen zur Genehmigung erhalten.
Pauschalen wirken kostendämpfend
Bereits seit 12 Jahren arbeiten die Schweizer Spitäler mit stationären Pauschalen (SwissDRG). Ein einheitliches, datengestütztes Tarifsystem, das durch ambulante Pauschalen ergänzt wird, bringt nicht nur für Spitäler und andere Leistungserbringer, sondern auch für die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler verschiedene Vorteile, wie eine von santésuisse bei Swiss Economics in Auftrag gegebene Studie zeigt. Bereits heute erlauben es die umfangreich vorliegenden Daten, Leistungen in zentralisierten Infrastrukturen tarifarisch korrekt abzubilden. Aufgrund der aktuellen Datenverfügbarkeit ist dies noch nicht überall vollständig möglich, weshalb in einigen Bereichen noch nach Einzelleistungstarifen abgerechnet werden muss. Doch auch hier kann der Einsatz von ambulanten Pauschalen, aufgrund der stetigen Verbesserung der Datengrundlage, schrittweise ausgebaut werden – was unter dem Strich zu einer Kostendämpfung im Gesundheitswesen führt.
Basierend auf Experteninterviews, Erfahrungsberichten, einer ausführlicher Grundlagenrecherche sowie einer mikroökonomischen Analyse heben die Studienautoren folgende Pluspunkte von ambulanten Pauschalen hervor:
1. Ambulante Pauschalen bieten aufgrund ihrer datenbasierten Tarifstruktur eine objektive Grundlage für Tarifverhandlungen.
Das Tarifsystem besteht aus der Tarifstruktur (Berechnungsgrundlage für Vergütungen) sowie dem Basispreis (Betrag für eine unveränderte Leistungseinheit) und regelt allfällige Zusatzentgelte. Da die Tarifstruktur anhand von Kosten- und Leistungsdaten berechnet wird, reflektiert sie sowohl aus medizinischer Sicht relevante Unterschiede in Bezug auf die Diagnose als auch Unterschiede im Ressourcenaufwand. Damit dient sie als objektive Grundlage für Tarifverhandlungen.
2. Ambulante Pauschalen bilden medizinische und wirtschaftliche Entwicklungen zeitnah ab und verringern mögliche Verzerrungen.
Dank regelmässigen und datenbasierten Aktualisierungen der Kostengewichte werden sowohl medizinische Fortschritte und Behandlungstrends als auch wirtschaftliche Entwicklungen zeitnah in der Vergütung berücksichtigt. Dadurch wirkt die Tarifstruktur einer allfälligen Belohnung «veralteter» Methoden entgegen und sie kann die Transparenz in der Diskussion um Gesundheitskosten erhöhen.
3. Ambulante Pauschalen berücksichtigen dank Basispreisen individuelle Gegebenheiten und können mit anderen Tarifsystemen kombiniert werden.
Bei Verhandlungen über Basispreise können individuelle Gegebenheiten in der Vergütung mit einbezogen werden. Mittel- bis langfristig ist auch vorstellbar, dass allfälligen Inkonsistenzen an den Schnittstellen zu andere Tarifsystemen, etwa zu ambulanten Einzelleistungstarifen oder stationären Fallpauschalen, über den Basispreis entgegengewirkt werden kann.
4. Ambulante Pauschalen reduzieren den Administrationsaufwand bei den Leistungserbringern und schaffen eine gute Grundlage für unternehmerische Entscheidungen.
Das gilt insbesondere für die Erfassung komplexer Fälle. Zudem dürften sich die Erfahrungen aus dem stationären Bereich, wo die Einführung von Fallpauschalen zu einer besseren Vergleichbarkeit der Spitäler geführt hat, auf den ambulanten Bereich übertragen lassen. Durch die erhöhte Datenverfügbarkeit lassen sich u.a. Produktivitätsvergleiche und Prognosen zur Entwicklung der Nachfrage erstellen. Solche Informationen können operative, taktische und strategische Entscheide verbessern.
5. Ambulante Pauschalen wirken den kostenverursachenden Fehlanreizen zur Mengenausweitung entgegen.
Fallpauschalen eliminieren Anreize für die Leistungserbringer, möglichst viele und möglicherweise medizinisch nicht notwendige Leistungen pro Fall durchzuführen. Entscheidend ist, dass die Rahmenbedingungen so abgesteckt sind, dass mögliche Fehlanreize für die Leistungserbringer zu einer unerwünschten Ausdehnung von Fallzahlen (z.B. über eine künstliche Aufsplittung von administrativen Fällen) beschränkt werden.
6. Ambulante Pauschalen stärken Anreize zur kostengünstigen Leistungserbringung und zur Innovationstätigkeit.
Pauschalen belohnen Kostensenkungen der Leistungserbringer. So werden z.B. Leistungen mit effizientem Zeitaufwand und die Wahl einer effektiven Behandlung belohnt, da der Zeitaufwand und die Leistungen nicht mehr einzeln vergütet werden. Dies dürfte sich nicht nur in Innovationsanstrengungen, sondern langfristig auch in einem Aufbau kostengünstiger Infrastrukturen widerspiegeln.
7. Ambulante Pauschalen erleichtern die Umsetzung des Grundsatzes ambulant vor stationär.
Weil die Einführung ambulanter Pauschalen eine Angleichung der Logik an das geltende Tarifsystem im stationären Bereich darstellt, werden Inkonsistenzen zwischen der Vergütungsstruktur beider Sektoren vermindert.
8. Ambulante Pauschalen bringen keine Qualitätseinbussen bei Behandlungen
Die tief verankerte Berufsethik des Gesundheitspersonals stellt sicher, dass Patienten eine effektive und qualitativ hochwertige Behandlung erhalten. Gleichzeitig intensivieren Pauschalen Anreize zur Überweisung an Spezialistinnen und Spezialisten, weil die Vergütung nicht mehr nur von den selbst erbrachten Leistungen abhängt. Gefördert wird nicht zuletzt auch die Behandlungsqualität. Eine wichtige Rolle spielen hier der etablierte Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern durch die freie Spitalwahl und die diversen Richtlinien und Zertifizierungsprozesse der Fachgesellschaften.
