Im Spannungsfeld zwischen Regulierung und Innovation
Zusatzversicherungen haben eine Zukunft, davon ist Professor Alexander Geissler von der Universität St. Gallen überzeugt. infosantésuisse zeigt auf, welche Grundlagen es für innovative Produkte braucht und wie diese aussehen könnten.
In Zeiten steigender Gesundheitskosten stellen Zusatzleistungen und deren Versicherung ein wirksames Instrument dar, um bestehende Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Innovation im Spitalwesen zu fördern. «Neben den heute verfügbaren Produkten, die sich in Komfort- und Zusatzleistungsversicherungen einteilen lassen, sehe ich Potenzial für innovative Produkte. Diese sind wichtig, damit sich Versicherer stärker im Wettbewerb differenzieren können», ist Alexander Geissler, Professor für Gesundheitsökonomie, -politik und -management, an der Universität St. Gallen, überzeugt. «Mit solchen Produkten könnten Versicherer beispielsweise den Bedarf von chronisch Erkrankten nach strukturierter Behandlung adressieren, oder den vermehrten Wunsch von besonders gesundheitsbewussten Personen nach vermehrter Prävention, insbesondere der Früherkennung, in den Fokus nehmen.»
Steigendes Bedürfnis nach Flexibilisierung
Dass Zusatzversicherungen nach wie vor einem Bedürfnis entsprechen, hat auch eine von santésuisse beim Beratungsbüro BBS Volkswirtschaftliche Beratungen AG, Basel, in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2024 gezeigt. Die Zahl der Versicherten, die sich eine Zusatzversicherung leisten, ist in den vergangenen 20 Jahren stetig angestiegen. Und zwar von 13 Prozent auf aktuell mehr als 20 Prozent. Allerdings haben sich die Bedürfnisse in den vergangenen Jahren stark verändert. So entscheiden sich im Bereich Spitalzusatzversicherung heute immer mehr Versicherte für sogenannte Flex-Modelle, die ein situatives Upgrade im Spital erlauben.
Leistungen der Grundversicherung klarer abgrenzen
Wie innovative Produkte im Zusatzversicherungsbereich aussehen könnten, skizziert Alexander Geissler wie folgt: «Sie werden insbesondere auf Leistungskomplexe z.B. des Disease-Managements oder auf Prävention für gesunde Langlebigkeit fokussieren.» Die Frage, ob Zusatzversicherungen primär etwas für Reiche seien, verneint er. «Sofern es den Versicherern gelingt, gegenüber den Versicherten die Wirksamkeit, bzw. den Nutzen eines Produktes darzustellen, sind nicht nur Gutbetuchte bereit, eine Zusatzversicherung abzuschliessen.»
Sowohl der Gesundheitsökonom als auch die Autoren der BBS-Studie regen an, die Leistungen der Grundversicherung gegenüber den Mehrleistungen einer Zusatzversicherung klarer abzugrenzen. «Darüber hinaus», so Alexander Geissler, spiele auch die Entwicklung in der OKP eine entscheidende Rolle. «Sollte zukünftig rationiert werden oder falls innovative Versorgungsleistungen keinen Eingang in den Leistungskatalog der OKP mehr finden würden, dürften Zusatzversicherungen für viele Personen interessanter werden. Schlägt das Pendel hingegen in Richtung Ausweitung der Grundversicherung, dürfte es für Zusatzversicherungsprodukte schwieriger werden, auf eine Nachfrage zu treffen.»
Regulierung als Innovationshemmer
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Innovationen im Bereich der Zusatzversicherungsprodukte hat auch die Finanzmarktaufsicht Finma. Die Regulierungstiefe der Aufsichtsbehörde geht dabei – im Gegensatz zur Bankenaufsicht – im Bereich der Krankenversicherung bis auf Ebene einzelner Produkte. Diese restriktive Interpretation der Aufsicht hemmt gemäss den Autoren der BBS-Studie innovative Ansätze und wirkt aktuelle als Markteintrittshürde.
Als Alternative zum jetzigen regulatorischen Ansatz schlagen sie vor, den Versicherten möglichst umfangreiche und transparente Informationen über die Kosten der abgerechneten Leistungen zur Verfügung zu stellen, die Vergleichbarkeit zwischen Versicherungsprodukten zu erhöhen und die Wechselmöglichkeiten zu verbessern.
