Pflege immer teurer und aufwändiger

infosantésuisse-Artikel
15.07.2024

Für die Pflege sind rasch neue Rezepte gefordert, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Die Gesamtausgaben beliefen sich 2022 bereits auf 6,5 Milliarden Franken. Immer grösser und teurer wird das Angebot im Bereich Pflege zu Hause, wie der neue Pflegereport von santésuisse eindrücklich zeigt. Umfassende Reformen sind dringend.

Die Ansprüche an die obligatorische Krankenpflegeversicherung wachsen ungebremst. Immer mehr Geld aus der Grundversicherung muss für die Vergütung von Pflegeleistungen ausgegeben werden – das zeigt der neu erschienene Pflegereport von santésuisse. Von 2011 bis 2022 stiegen die Kosten in Pflegeheimen um 42 Prozent auf rund 4,5 Milliarden Franken, bei der Pflege zu Hause sogar um 124 Prozent auf rund zwei Milliarden Franken. Den grössten Teil bezahlen die Krankenversicherer über die Grundversicherung: Fast 3,4 Milliarden Franken waren es im Jahr 2022. Der Rest ging zulasten der Kantone (2,4 Milliarden Franken) sowie der Patientinnen und Patienten (752 Millionen Franken). Insgesamt belief sich der Anteil der Pflege an den gesamten OKP-Kosten auf 13 Prozent.

EFAS als weitere Bedrohung

Und die Situation spitzt sich weiter zu: Mit der Umsetzung der Pflegeinitiative sowie der Einführung der Einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) droht schon der nächste Kostenschub. santésuisse fordert deshalb dringend griffige Sparmassnahmen von Bund, Politik sowie den weiteren Akteuren des Gesundheitswesens. «Reformen sind in verschiedenen Bereichen notwendig und ohne Leistungsabbau möglich», ist santésuisse-Direktorin Verena Nold überzeugt. So zum Beispiel bei der Pflegeheim-Planung, die in Zukunft überregional erfolgen soll – damit Bettenkapazitäten nur dort geschaffen werden, wo sie auch wirklich notwendig sind. Weiter braucht es dringend eine grundsätzliche Debatte zur Finanzierung der Angehörigenpflege. Bedingung für eine weitere Finanzierung aus den Mitteln der OKP wären klare Leitplanken und eine deutliche Reduktion des Beitrags zugunsten der Organisationen, die Angehörige unter Vertrag nehmen. Und: Im Hinblick auf die Einführung von EFAS muss die Datengrundlage klar verbessert werden, damit künftig eine sachgerechte Tarifierung möglich ist.

Deutlicher Trend: Immer mehr Pflege zu Hause

Was die statistischen Daten deutlich zeigen: Seit Einführung der neuen Pflegefinanzierung wurde das Angebot im Bereich Pflege zu Hause deutlich ausgebaut. Waren damals erst 1410 Leistungserbringer registriert, ist diese Zahl bis 2022 auf 2708 gestiegen (Plus 92 Prozent). Dagegen ging die Zahl der Pflegeheime im selben Zeitraum leicht zurück (von 1585 auf 1485 Anbieter). Gleichzeitig wurden die Klientinnen und Klienten immer älter. Über die Hälfte der OKP-Leistungen in Pflegeheimen nehmen inzwischen Personen im Alter von über 85 Jahren in Anspruch. Im Bereich Pflege zu Hause fallen mehr als die Hälfte der Pflegebeiträge bei Über-80-Jährigen an.

Patienten werden höher eingestuft

Konstant geblieben ist von 2012 bis 2022 die Anzahl der Pflegestunden pro Patientin oder Patient, verändert hat sich hingegen deren Einteilung nach Pflegebedarfsstufe, was sich negativ auf die Gesundheitskosten auswirkt: Immer kleiner wird der Anteil der Pflegetage auf den Stufen 1 bis 3, immer grösser hingegen auf den Stufen 4 bis 9. Ebenfalls leicht gestiegen sind die Pflegestunden auf den höchsten Stufen 10 bis 12. Für die Ermittlung des Pflegebedarfs nutzen die stationären Einrichtungen in der Schweiz drei verschiedene Erfassungsinstrumente. Je nach Instrument fallen die Resultate bei Personen mit ähnlichem Pflegebedarf ganz unterschiedlich aus. Eine Ungerechtigkeit, die seit Jahren besteht und nun endlich korrigiert werden muss. Für santésuisse ist klar: Die Akteure sind gefordert, die verschiedenen Pflegebedarfs-Erfassungsinstrumente endlich zu harmonisieren.

Diese Massnahmen sind dringend

Diverse Veränderungen sind notwendig, damit die Pflege auch weiterhin finanziert werden kann. Diese Massnahmen fordert santésuisse:

  • Alle Akteure müssen dafür sorgen, dass die finanzielle Belastung für die Grundversicherung nicht noch weiter steigt. Für eine sachgerechte Tarifierung ist es wichtig, die Datengrundlage im Hinblick auf die Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) zu verbessern.
  • Die Pflegeheim-Planung soll überregional und überkantonal erfolgen. Bevor neue Bettenkapazitäten geschaffen werden, müssen die Kantone ihre Koordinationspflicht erfüllen und prüfen, ob tatsächlich Bedarf besteht.
  • In stationären Einrichtungen muss der Pflegebedarf einheitlich erfasst werden. Es darf nicht sein, dass Personen aufgrund ihres Wohnortes unterschiedlich eingestuft werden. Die drei Pflegebedarfs-Erfassungsinstrumente sind nun endlich zu harmonisieren.
  • Es braucht eine Diskussion zu Möglichkeiten, Finanzierung und Leitplanken der Angehörigenpflege, um den starken Kostenanstieg zu dämpfen. So darf es beispielsweise nicht sein, dass Personen, die bereits im Ruhestand sind, die Pflege ihrer Angehörigen über die OKP abrechnen.
  • Die Datenlage in der ambulanten Pflege muss dringend verbessert werden. Ähnlich wie bei Pflegeheimen muss eine Kostenrechnung vorliegen, die zeigt, wie hoch der Pflege- und Betreuungsaufwand je nach Leistungsbereich effektiv ist.

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